Die 26 Meter hohe Fichte vom Maibaum-Bichl im Mieminger Ortsteil Barwies will hoch hinaus. (Foto: Knut Kuckel)
Die 26 Meter hohe Fichte vom Maibaum-Bichl im Mieminger Ortsteil Barwies will hoch hinaus. (Foto: Knut Kuckel)

Barwies – 150jährige Fichte wird Maibaum

Die Bilder gleichen sich, wenn in Mieming der Maibaum aufgestellt wird. Am Vorabend zum 1. Mai klingelte daheim das Telefon. Am Apparat war Ortsbauer Benedikt van Staa: „Wir treffen uns morgen zum Maibaumfällen. Um 7 Uhr am Rinderhag.“

Die Frage, ob ich dabei sein möchte, beantworte ich mit einem eindeutigen Ja. Ohne lang nachzudenken.

Beim Maibaumschlagen ein Beobachter sein zu dürfen, ist ein Privileg – jeder Maibaum hat seine eigene Geschichte. Im Dorf wird sie wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Die Maibaum-Geschichte endet in Mieming traditionell Mitte bis Ende Juni. Dann verlässt der Baum seinen Standort und geht in das Eigentum jenes Menschen über, der ihn am Maifeiertag ersteigert hat. So war das schon immer und ist es noch heute.

Maibaum 2018, Mieming. (Foto: Knut Kuckel)

Zurück auf Anfang: Punkt 7 Uhr treffe ich am Rinderhag den Krabacher Karl mit seinem alten Traktor. 

Mit dem Krabacher Karl fahre ich zum Maibaumschlagen. (Foto: Knut Kuckel)

Ich darf aufsitzen und werde zur Stelle gefahren, die der Karl scherzhaft den „Maibaum-Bichl“ nennt. „Hier haben wir immer schon den ein oder anderen Maibaum gefunden. Die Stelle ist ideal. Weil die Bäume viel Licht haben, wachsen sie kerzengerade in den Himmel.“

Der „Maibaum-Bichl“ in Mieming-Barwies. (Foto: Knut Kuckel)

Kaum angekommen, fährt der Holzeis Michael vor. Sein Geschäft ist es, Holz zu schlagen und den Wald zu pflegen. Heute arbeitet er – wie all die anderen – für Gotteslohn.

Die Fällrichtung wird bestimmt. (Foto: Knut Kuckel)

Karl Krabacher zeigt dem Holzeis Michel, welchen Baum er nehmen würde. Jetzt geht alles sehr schnell. In den Baum wird eine Fallkerbe geschnitzt. Der Michel geht in die Hocke, mit dem Rücken zum Baum. Den umfasst er mit beiden Armen. „Die Fallkerbe und die gestreckten Arme ergeben eine Gerade“, erklärt er mir. „Das ist die Fallrichtung.“

 

Dann kommt die Motorsäge zum Einsatz. Ein in die Fallkerbe geschlagener Keil bestimmt die endgültige Fällrichtung. (Foto: Knut Kuckel)Dann kommt die Motorsäge zum Einsatz. Ein in die Fallkerbe geschlagener Keil bestimmt die endgültige Fällrichtung.

Der Maibaum wird gefällt. (Foto: Knut Kuckel)

Dieser Vorgang dauerte gefühlt nur zwei bis drei Minuten. Dann fällt der Baum in die gewünschte Richtung. Alles sieht so leicht aus. Baumfällen ist aber eine Kunst. Michael Holzeis ist – was das angeht – ein über die Dorfgrenzen hinaus anerkannter Künstler.

Benedikt van Staa mit Beni Junior treffen ein. Der langjährige Mieminger Ortsbauer schaut sich als Erster den Baum an und nickt zufrieden. „Gut gemacht, Manda!“

Der Mieminger Ortsbauer Benedikt van Staa am Maibaum-Bichl in Barwies. (Foto: Knut Kuckel)

Der auserlesene Baum, eine ca. 150 Jahre alte Fichte, stand noch kurz vor seiner Beförderung zum Maibaum in einem Waldstück der Agrargemeinschaft Barwies. Benedikt van Staa hat den gerade gewachsenen Baum vor dem Aufstellen gemessen. „Der ist 26 Meter lang“, lässt er anschließend alle wissen.

Säubern des Baumes vor dem Abtransport. (Foto: Knut Kuckel)

Vor dem Abtransport werden die Äste abgesägt und die Rinde geschält. Dann geschieht das Unerwünschte: Beim Anheben des Baumes bricht die Krone ab. Die am Boden liegende Baumkrone misst rund zwei Meter.

„Das kommt vor“, beruhigt Karl Krabacher. „Michel wird das wieder hinkriegen.“

Stefan Zimmermann und Karl „Charly“ Wett werden den Maibaum zum Festplatz nach Barwies transportieren. (Foto: Knut Kuckel)

Stefan Zimmermann und Karl „Charly“ Wett verstärken das Holzfäller-Team. Beides gestandene Waldbauern. Charly und Stefan bereiten den Abtransport des Maibaums nach Barwies vor.

Kirchturmuhr, Pfarrkirche Barwies. (Foto: Knut Kuckel)

Als der Baum von den Transportfahrzeugen am Wallnöferplatz eintrifft, zeigt die Kirchturmuhr in Barwies gerade 8.10 Uhr an. Das war bis dahin also eine reife Leistung.

Auf die Baumfäller-Crew wartet der Reindl Herbert. (Foto: Knut Kuckel)

Auf die Baumfäller-Crew wartet vor der Kirche schon der Reindl Herbert. Ein Maibaum-Experte mit jahrzehntelanger Erfahrung. Er macht den „Stamm schön“. Dazu braucht der Herbert eine Schleifmaschine und noch ein paar helfende Hände. „Richtig glatt muss er sein“, sagt er. „Damit sich die Baumkraxler nicht verletzten.“

Die Mieminger Bäuerinnen um Daniela Kapeller 8rechts) sorgten für Kaffee und Kuchen. (Foto: Knut Kuckel)

Der Eduard-Wallnöfer-Platz in Barwies lebt auf. Im Minutentakt treffen alle ein, die das Maifest mit vorbereiten. Die Mieminger Bäuerinnen um Daniela Kapeller (rechts im Bild) bringen den ersten Kuchen. Von der Bergrettung Mieming treffen Romana Mair und Johannes Klein ein. Sie organisieren vorab die technische Umsetzung der Sicherungen für das spätere Maibaumkraxeln.

Romana Mair, Bergrettung Mieming. (Foto: Knut Kuckel)

Die Jungbauern um Obmann Elias Kapeller helfen wo es nötig ist. Beim Aufstellen der Marktstandln, bei der Platzgestaltung und beim Aufrichten der Hüpfburg, hinter dem Stall der Familie Wallnöfer.

Die ersten Kinder treffen am Festplatz ein. Sie helfen beim Schmücken des Maibaumes. (Foto: Knut Kuckel)

Alles scheint in Bewegung zu sein. Die ersten Kinder versammeln sich. Sie helfen beim Schmücken des Maibaumes, der inzwischen wieder eine feste Krone hat. Frühe Gäste lassen sich auf den Bänken nieder und leisten den Schaulustigen auf den Balkonen der Häuser beim “Sightseeing” Gesellschaft.

Ein Regio-Bus hält an der Bushaltestelle. (Foto: Knut Kuckel)

Ein Regio-Bus hält an der Bushaltestelle. Die Passagiere beobachten während des Halts amüsiert das bunte Treiben.

Daniela Kapeller schaut besorgt auf ihre Armbanduhr. „Schaffen wir das???“ (Foto: Knut Kuckel)

Daniela Kapeller schaut besorgt auf ihre Armbanduhr. „Schaffen wir das???“ – „Wir schaffen das!!!“ antwortet Verena van Staa. Die beiden gehören zum Team der Mieminger Bäuerinnen. Sie schmücken den Maibaum. Katharina van Staa soll das heute lernen. Ihre Mutter gibt Anweisungen. Dann geht schon alles wie am Schnürchen. Seit zehn Jahren schmücken Daniela Kapeller und Verena van Staa Maibäume. Ihre Erfahrung ist gefragt.

Die Baumkrone wird mit roten und weißen Schleifen geschmückt. (Foto: Knut Kuckel)

Die Baumkrone wird mit roten und weißen Schleifen geschmückt. Maibäume in den Landesfarben haben in Tirol eine lange Tradition. Zur Belohnung erfolgreicher Maibaumkraxler werden große Brezn mit Geldgutscheinen der Raika angehängt.

Zeit für einen ersten Espresso bei “Thomas‘ Kaffee”. Die Telfer Kaffee-Rösterei verkauft ihre Produkte auch im Hofladen am Steirerhof in Obermieming. Sylvia und Thomas Hofer sind mit ihrem Standaufbau fertig und kümmern sich um frühe Gäste.

Der Maibaum steht. (Foto: Knut Kuckel)

Das Baumaufstellen geht so schnell wie alles andere zuvor. Die Uhr am Kirchturm der Pfarrkirche zeigt an, es ist inzwischen 8.45 Uhr. Der Maibaum steht. Vor der Kulisse der Mieminger Berge und dem fast wolkenlosen blauen Himmel, eine wahrlich stattliche Erscheinung.

Maifest 2018 in Mieming-Barwies. (Foto: Knut Kuckel)

“Vor vier Jahren konnten noch ein paar Burschen (vermutlich aus Mötz) unseren Maibaum absägen”, erzählt Jungbauernobmann Elias Kapeller. “Das passiert uns heute nicht mehr. Deshalb wird seither der Maibaum immer am Morgen des Maifesttages geschlagen und aufgestellt. Das hat sich bewährt.”

Die Tradition verbietet es bei uns in Tirol, am Tag des Maifestes noch Hand an den Maibaum zu legen.

Das Team um Theresa Wallnöfer kümmert sich um den Bierstand. (Foto: Knut Kuckel)

Das erweiterte Team der Jungbauernschaft / Landjugend Mieming richtet die Imbiss-Standl ein, das Team um Theresa Wallnöfer kümmert sich um den Bierstand. Punkt 9 Uhr wird das erste Stiegl serviert.

Die “Stiegl-Buam”. (Foto: Knut Kuckel)

Die “Stiegl-Buam” mit Markus Kranebitter machten ab 11 Uhr den Anfang. Die beiden Musiker bauen ihre Instrumente, Verstärker und Lautsprecher-Boxen auf. Dann ihre Kollegen, mit denen sie beim Maifest für Unterhaltung sorgen sollen. Eine Premiere wird das, für die „5er Musig“ – einer Blasmusik-Formation aus Wildermieming und Mieming.

„5er Musig“ aus Wildermieming. (Foto: Knut Kuckel)

Mieming feierte ein großartiges Maifest in Barwies. Alt-Landeshauptmann Eduard Wallnöfer hätte nicht schlecht gestaunt. Nach ihm wurde der Platz benannt, der am Dienstag, den 1. Mai 2018 so viele Besucherinnen und Besucher anlockte. Im Mittelpunkt des Geschehens stand der 26-Meter hohe Maibaum.

Denkmal Eduard Wallnöfer vor seinem Haus in Barwies. (Foto: Knut Kuckel)

Für die Maibaumkraxler war die ca. 150 Jahre alte, gerade gewachsene Fichte, heute der Baum aller Bäume. Aufgestellt wurde er von der Barwieser Bauernschaft erst am frühen Morgen. „Damit er uns nicht noch vor dem Fest – wir vor vier Jahren – von den Burschen aus den Nachbardörfern abgesägt wird“, erzählt Jungbauernobmann Elias Kapeller.

Der siebenjährige Lionel war der Erste, der sich mit Brezn und Raika-Gutschein von mir fotografieren ließ. Unter dem Applaus der zahlreichen Maifest-Gäste.

Der siebenjährige Lionel war der Erste, der sich mit Brezn und Raika-Gutschein von mir fotografieren ließ. (Foto: Knut Kuckel)

Am Nachmittag wurde der Maibaum versteigert. Für 440 Euro geht er im Juni an Oliver Ranzi. „Solange bleibt er noch stehen“, hörten wir von Jungbauernobmann Elias Kapeller, der gemeinsam mit Martin Reindl und Michael Wallnöfer den Baum versteigerte. Der Maibaum wurde wie beim Maifest des Vorjahres von den Waldbauern aus Barwies gestiftet.

Elias Kapeller, Michael Wallnöfer und Martin Reindl (Jungbauern Mieming) versteigerten am Nachmittag den Maibaum. (Foto: Knut Kuckel)

Das Maifest in Mieming wird traditionell von der gesamten Bauernschaft organisiert und veranstaltet. Allen voran die Jungbauernschaft/Landjugend Mieming, die Mieminger Bäuerinnen und die Ortsbauernschaft.

Der Trachtenverein Edelweiß Mieming bekam viel Applaus für die gezeigten Tanzeinlagen. Am frühen Nachmittag war der offizielle Teil des Mieminger Maifestes schon wieder Vergangenheit.

Bauernobmann Benedikt van Staa (links). (Foto: Knut Kuckel)

„Heute stimmte alles“, bewertete Bauernobmann Benedikt van Staa das Maifest (auf dem Foto, links). „Das Wetter, die Stimmung und das Programm.“

Barwies – 150jährige Fichte wird Maibaum. (Fotos: Knut Kuckel)

Ich schreibe über das Landleben im alpinen Raum. Über Ereignisse und Begegnungen. Von Hause aus Rundfunkjournalist, bin ich als Grenzgänger der Regionen auch gerne Europäer.