„Wenn ich am Morgen die Augen aufmache, ist es halb fünf“, sagt der Almhirt. „Und wenn ich dann noch in der Ferne Kuhglocken höre, weiß ich warum ich hier bin.“ Pia und Norbert Kluckner sind seit über zwei Jahrzehnten die Almleute der Hochfeldernalm.
„Noch ein Jahr, dann feiern wir hier unser 25jähriges Dienstjubiläum. Dazu lade ich Dich schon heute ein. Darfst Du nicht vergessen.“ Das verspreche ich und erwidere, bis dahin sei ja noch viel Zeit.
Verabredet haben wir uns für diesen Beitrag schon im Frühjahr. Beim Almauftrieb. Wir treffen die Hirtenfamilie am frühen Nachmittag. „Dann haben wir mehr Zeit.“
„Alm-Hirt war immer schon mein Traumberuf“, erzählt uns Norbert Kluckner. „Solange ich denken kann. Von Kind an. “
Alle, die ihn kennen, nennen Norbert den „guten Hirten“. Sein Vater war 45 Jahre lang Almhirt. Mit Leib und Seele. „Alles, was ein guter Almhirt wissen muss, hat ihm der Vater beigebracht“, erzählt mir Pia, „und Norbert weiß sehr viel über die Arbeit auf der Alm.“
Der Hüttenbetrieb der Hochfeldern Alm liegt 1753 Meter hoch.
Im Sommer helfen die Kinder Stefanie, David und Florian. Pia regiert dann in ihrer Küche am Holzofen. Norbert steht früher auf als die restliche Familie.
„Zuerst schalte ich den Graukas-Kessel ein. Bis er eine Temperatur von 43 Grad erreicht hat. Das kann bis zu zwei Stunden dauern. Bis sechs Uhr wird gebuttert. – Komm‘ mit, ich zeigs Dir.“
Auf dem Weg in die Molkerei kündigt Norbert weitere Vormittagsarbeiten an. „Nach dem Graukas und dem Buttern werden bis halb acht die Kühe gemolken.“
Im Stall der Hochfeldern Alm haben nur zehn bis fünfzehn Kühe Platz. Ich denke, eigentlich reicht das ja. Gut. Allein davon könnte ein Bauer kaum leben. Selbst wenn er so bescheiden ist, wie die Kluckners. Dann wird gezählt. 15 Milchkühe? „Ja“, bestätigt Almhirt Norbert Kluckner. „Unser Stall ist klein. Mehr haben hier keinen Platz. Das ist so gewollt.“
Immerhin. Im Verlaufe eines Almsommers werden auf der Hochfeldernalm ca. 20-tausend Liter Milch erzeugt und mindestens 500 Kilogramm Käse. Eine stolze Produktionsleistung von nur 15 Milchkühen. Die Almprodukte werden den Hüttengästen angeboten und ein Teil geht an Stammkunden im Gaistal.
Für mehr als 15 Kühe hätte man neben der anderen Arbeit überhaupt keine Zeit mehr. Denn die Arbeit mit den Kühen, so Almhirt Norbert, sei ihm von den Obermieminger Almbauern gestattet. „Um ein wenig dazu verdienen zu können.“
Die Hütte, die eigenen Kühe im Stall und der Verkauf der Milchprodukte sind die wichtigsten Einnahmequellen für Hirtenfamilie. Das ist Teil des Pachtvertrages mit der Agrargemeinschaft Feldernalpe in Miemingerberg. Manche wählen noch den uralten Gemeindenamen, statt Obermieming. Weil der hier, wo die Mieminger Berge zum Greifen nah sind, viel klarer scheint als jeder politisch konstruierter Gemeindenamen.
Seit dem 14. Jahrhundert dürfen die Obermieminger Bauern die Almwirtschaft im auf der Felderereralpe betreiben. Das gleiche gilt für die Nachbarn aus Wildermieming. Sie bewirtschaften die Tillfussalm.
Für mehr als 200 Kühe stehen auf der Feldereralpe ca. 400 ha Weidefläche zur Verfügung. Vor 700 Jahren war das Weideland nur für maximal 130 Kühe vorgesehen. „Auf der Feldernalm finden unsere Kühe noch ihr gewohntes Futter“, sagt der Almhirt. „Gräser und Kräuter, besser geht nicht.“ Im Winter werden die Tiere in ihren Ställen mit Heu versorgt. Das kommt zum Teil vom Vorberg am Kälberhag in Obermieming und vergleichbaren Weideflächen.
Zur Förderung und Verbesserung der Almwirtschaft wurden schon im 20. Jahrhundert Almschutzgesetze erlassen. Um das – wie es heißt – das „Auf und Ab in der Almwirtschaft zu beenden. Gemeint ist mit dieser Bemerkung vor allem der Verkauf von Almflächen für andere Zwecke. Wer sich im Almenland umschaut, versteht sehr gut, was damit gemeint sein könnte. Die Almschutzgesetze sichern ein planvolle Almwirtschaft.
Ich packe Kamera und Notizblock in den Rucksack und darf vor dem Heimgehen noch einem freundlichen Maler aus München über die Schultern schauen. Mit Stiften malt er die Mieminger Berge. Vom Platz aus, wo er sich dazu niedergelassen hat. Vor seinen Füßen ein kleines Hühnergehege, ein einfacher Holzzaun und – alles überstrahlend – die Mieminger Kette mit Hoher und Niederer Munde.
Der Maler gestattet mir, das Idyll zu fotografieren. Dann gehts bergab.
Auf dem Rückweg schauen wir noch in der alten Feldernalm vorbei. Bis zur Eröffnung der oberhalb gelegenen Hochfeldernalm war sie jahrhundertelang die Hütte der Almbauern von Miemingerberg. Hier findet man auch den Einstieg in den Abstieg.
Ein herzliches Vergelt’s Gott geht an meinen Begleiter und Experten in Sachen Almbauernwirtschaft, Hofrat Dr. Otto Thaler aus Obermieming, dem Obmann der Agrargemeinschaft Obermieming.
Feldernalmhirt Norbert Kluckner – „Mein Tag beginnt um halb fünf“. (Fotos: Knut Kuckel)