„Hier fehlen noch ein paar Bilder“, stellte die damals 93-jährige Scharmer Anna bei ihrem Besuch auf der umgebauten Hochfeldern Alm fest. So angesprochen, sagte Almhirt und Hüttenwirt Martin Reich aufmunternd, „darüber würden wir uns sehr freuen“.
Wieder daheim in Obermieming, suchte Anna in ihrem ganz persönlichen Bilder-Kastl ein Foto von der alten Feldernalm aus. Ein Bild mit einer besonderen Geschichte.
Anna Scharmer schenkt ihr Feldernalmbild den Repräsentanten der Hochfeldern Alm: Dem Almbeauftragen Martin Kapeller und Almobmann Klaus Scharmer.
Ab dem Juli 1944 kam es in Tirol zu mehreren Bombenangriffen auf Innsbruck und anderen Tiroler Orten und vor allem auf die Brenner Bahnlinie, die für den Nachschub der deutschen Truppen in Italien lebenswichtig war. Fast täglich überflogen Bomberstaffeln das Ausserfern und die Mieminger Berge, um offensichtlich Ziele im Süden Deutschlands anzugreifen. Ein Flugzeug stürzte infolge der Kampfhandlungen über der Hohen Munde ab.
„Damals war ich schon 20 Jahre alt, wir waren zu jener Zeit oft auf der Feldernalm“, erinnert sich Anna Scharmer. „16 Flugzeuge stürzten nach dem größten Luftkampf über Tirol ab. Vor über 70 Jahren, im August 1944.“
Nicht einmal zehn Minuten hatte das grausame Spektakel am Himmel vor den staunenden Augen vieler Tirolerinnen und Tiroler gedauert. Das Resultat: 35 Tote und 16 Flugzeugwracks, verteilt über die Berge und Wälder zwischen Reutte und Telfs. Eine Gedenktafel im Gaistal erinnert an das Ereignis.
„Die Deutschen unterhielten eine FLAK (Flugabwehrkommando) in Ehrwald“, erzählt die Scharmer Anna. „Von dort kamen Leute, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Wer sich gerade auf den Almen aufhielt, wurde befragt. So war das in der Kriegszeit.“
Zivil gekleidet suchten die nach allem Möglichem, unter anderem und vor allem amerikanische Flieger, die sich mit dem Fallschirm retten konnten. „Bei ihrer Fahndungsarbeit im Gaistal wurden auch Fotos gemacht. Manche haben uns eins davon geschenkt (damit wir kooperativ blieben).
Mein Foto zeigt die alte Feldernalm aus dieser Zeit“, sagt Anna.
Später erzählte jemand der Scharmer Anna, dass die Fotos offensichtlich von „Hitlers Leibfotograf“ gemacht wurden. „Aber so ganz genau wusste das im Grunde niemand“, sagt sie. „Wollte gegen Ende des Krieges auch keiner so genau wissen. Spannend ist aber die Geschichte um das Foto von der Feldernalm.“
Bei unserem Besuch im Haus der Familie Scharmer in Obermieming, zeigt Anna noch ein paar Bilder aus alten Zeiten. Eines zeigt Männer der Schützenkompanie bei einer Isidori-Prozession in Untermieming. „Die Bilder wurden noch vor dem 1. Weltkrieg gemacht. Alle trugen noch die alte Tracht. Auch die Musikanten der Musikkapelle.“
Wir bestaunen Bilder aus Fiecht, von Annas Elternhaus. Bilder von der alten Feldernalm. Ein Farbfoto ist dabei, mit Obermieminger Bäuerinnen. Anna Scharmer hat höchstpersönlich fotografiert. „Das war damals wohl so, wie heute mit den mobilen Telefonen?“
Wir möchten wissen, ob sie sich noch daran erinnert, wann das Foto entstanden ist. „Das ist ganz einfach“, sagt uns Anna, „ihr müsst nur raus bekommen, wann der Steirer, der Grabner Andreas Geburtstag hat. Die Liesel, seine Mutter, war damals mit ihm hochschwanger. Zwei Monate später kam der Andi zur Welt.“ Das Foto der Bäuerinnen wurde also Ende August 1980 gemacht.
Anna zeigt auf das Bild und zählt auf, wer darauf alles zu sehen ist (von links): „Das sind die Kapeller Hanni, die Larcher Anna, Paula Kranebitter, Klara Spielmann, Maria Nairz (die war damals Ortsbäuerin in Mieming), Julia Kuprian (damals Gebietsbäuerin), Gerda Plattner, Liesl Wackerle und Berta Dietrich.“
Am 27. Oktober hat der Andreas Geburtstag, hören wir auf Nachfrage. „Zur Welt kam er ganz genau am 27. Oktober 1980“, sagt uns seine Frau Carolin vom Steirerhof.
15 Jahre alt war die Anna, als sie mit ihrem Vater, Johann Kranebitter, zum ersten Mal auf dem Fußweg zur Feldernalm ging. „Wir hatten eine kleine Stärkung im Rucksack. Viel wars nicht und auf dem Weg zur Alm wurde nicht gerastet. So war das damals.“
Am Samstag-Abend, dem 27. September, vor dem großen Fest zur Einweihung der neuen Hochfeldern Alm, überreichte die Scharmer Anna das inzwischen gerahmte und vergrößerte Foto einer kleinen Delegation um Almobmann Klaus Scharmer und Vize-Bürgermeister Martin Kapeller. Mit dabei Annas Sohn Konrad. Konrad Scharmer war von März 1996 bis März 2001 Almobmann auf der Hochfeldern Alm.
Beim Hochfeldern Almfest am darauffolgenden Sonntag haben wir das Bild im Herrgottswinkel der großen Gaststube an Almhirt und Hüttenwirt Martin Reich überreicht (Fabio Riml hatte gerade Küchendienst). „Davon machen wir für Anna ein Foto“, sagte der Scharmer Klaus, „dann sieht sie auch, dass ihr Bild wohlbehalten auf der Hochfeldern Alm angekommen ist.“
Beim Fest wollte sie nicht dabei sein. „Das ist mir alles zu aufregend.“ Dafür haben alle Verständnis. Anna Scharmer ist Jahrgang 1923.
Geschenk für die Feldernalm – Bild mit Geschichte von Anna Scharmer. (Fotos: Knut Kuckel)