Hüttenwirtin Pia Kluckner lädt ein zur "Almentaufe". (Foto: Knut Kuckel)
Hüttenwirtin Pia Kluckner lädt ein zur "Almentaufe". (Foto: Knut Kuckel)

„Almentaufe“ hinter den Mieminger Bergen

Meine Beziehung zu Mensch und Berg ist von genetisch bedingter Neugier geprägt. Bis zu meiner Almentaufe  am Miemingerberg mussten allerdings noch ein paar Jahre vergehen. Gegenseitiges Vertrauen braucht halt Zeit. So ist das in allen Alpenländern.

Mein Taufpate war der Thaler Otti aus Obermieming. Später sozusagen mein Mentor in Sachen Almwirtschaft.

Otti nennen ihn nur sehr nahestehende Menschen. Für andere ist er der „Hofrat“ oder der „Doc.“ So oder so. Mir war der Hofrat bis heute ein sehr guter Freund.

Otti machte mich mit Land und Leuten bekannt. Mit grenzenloser Geduld ertrug er all meine Fragen. Mit der Tiroler Sprache habe ich in den ersten Jahren gefremdelt. Irgendwer soll mal dazu gesagt haben, „nichts unterscheidet Österreicher und Deutsche so sehr, wie ihre gemeinsame Sprache.“ Dieser Einschätzung würde ich mich uneingeschränkt anschließen.

Ein Nachbar aus Affenhausen gab mir den Rat, „wenn Du nichts verstanden hast, sag‘ einfach „passt scho“.

Die Mieminger Mundart ist sehr eng mit dem „Boarischen“ in den oberbayerischen Nachbargemeinden Garmisch-Partenirchen und Mittenwald verbunden. Im Werdenfelser Land oder dem oberen Isartal.

Zum Verständnis biete ich einen kleinen Ausflug in die lokale Geschichte der Gemeine Mieming an.

Die Familie vom Thaler Otti ist seit mehr als 500 Jahren im Ortsteil Obermieming verwurzelt. Die Thalers und früher u.a. die Speckbachers waren schon seit dem 15. und 16. Jahrhundert die Posthalter an der Handelsstraße von Innsbruck über den Fernpass nach Augsburg. Von den Römern bis Ende 400 n. Chr. als „Via Claudia Augusta“ genutzt. Später wurde das heutige Tirol Teil des westgotischen Reiches.

Der Urgroßvater von Dr. Otto Thaler war der Bauernsohn und Knecht Sebastian Thaler aus dem benachbarten Barwies. Der heiratete Aloisa Speckbacher und machte somit Karriere. Er war nämlich fortan der Postmeister im Ort. Das war zu jener Zeit eine gesellschaftlich bedeutende Position.

Ottis Großvater, Otto Thaler, war von 1891 bis 1916 mit dem Amt des Postmeisters betraut. In Personalunion auch seit 1993 für den neuen Telegraphendienst verantwortlich.

Das Postamt mit Sparkassendienst war in einem Nebenzimmer im Gasthof Post untergebracht. Die Postwirtin, Ottis Mutter, war Franziska Thaler. Die Geschäfte liefen gut und so konnte Franziska Thaler 1938 auf ihre Kosten, gegenüber vom Gasthof Post ein Postamtsgebäude einrichten. Das Gebäude existiert noch heute, ist wird aber seit vielen Jahren nicht mehr genutzt.

Hinter dem früheren Postamtsgebäude finden wir die Pension Sonnenhof, der Familie Post. Weder verwandt, noch verschwägert mit den Posthalter-Thalers. Die Familie Post bewirtschaftet einen Bauernhof im nördlichen Teil Obermiemings. Dafür zuständig ist der Post Hannes, der den Hof von seinen Eltern Anton und Martha Post übernahm. von Dazu erzähle ich später mehr, denn beim Post Hannes habe ich über sechs Jahr gewohnt. Mit Blick auf die Mieminger Kette, war das eine stets kreative Zeit.

Aber zurück zur „Otti“-Erzählung. In seinem früheren Berufsleben leitete Dr. Otto Thaler das Tourismuskolleg in der Landeshauptstadt Innsbruck. Ich durfte ihn einmal zu einer Jubiläumsveranstaltung dorthin begleiten. Wer im Kolleg ca. drei Jahrzehnte gerbeitet hat, kennt in Tirol viele Menschen. Und umgekehrt.

In dieser Zeit war ich ehrenhalber für den Tiroler Pferdesportverband in Sachen Öffentlichkeitsarbeit landesweit unterwegs. In Mieming sah man mich damals eher selten. Aus dem Hause Thaler war eine Tochter aktiv und sehr erfolgreich Springreiterin. Deshalb sahen wir uns hin und wieder auf Turnieren.

„Mach‘ doch mal was für uns in Mieming…“, klagte bei einer solchen Begegnung Otti Thaler. Kurz darauf entstand Mieming.online – wird heute noch erfolgreich von Andreas Fischer und seiner Familie fortgeführt.

Für Otti Thaler war wichtig, „dass du bleibst“. So war das in den ersten Jahren auch. Ich blieb. Otti nahm sich alle Zeit der Welt, um mich bekannt zu machen. Er liebt Kommunikation und Gesellschaft. Davon durfte ich  auf besondere Weise profitieren.

Gelegenheiten, bodenständigen Einheimischen zu begegnen, gab es für mich reichlich. Auf den unterschiedlichsten Viehausstellungen oder den Prozessionen der Kirchengemeinden. Bei Konzerten der Musikkapelle, Feuerwehrfesten, dem Schafbad in Fiecht oder dem Jungbauernball.

„Du bist angekommen, wenn Dich der erste Bauer in sein Haus einlädt“, sagte mir der damalige Almobmann der Marienbergalm, Hans-Jörg Wett aus Barwies. Am Rande einer Viehausstellung in Untermieming erklärte der mir das vielfältige Wesen der Kuh. Wenn Hans-Jörg noch leben könnte, wäre er sicherlich stolz auf mich. Ich führe kein Tagebuch, habe die seither besuchten Mieminger Bäuerinnen und Bauern nicht gezählt, aber das dürften bis zum heutigen Tag mehr als dreißig sein. Wenn mich nicht meine Erinnerung täuscht, gibt es in Mieming noch bis zu 38 mehr oder weniger aktive Voll- und Nebenerwerbs-Landwirtschaften.

Otti und seine Frau Evelyn führten mich an einem Wochenende zur Feldereralpe ins Gaistal und zur Seebenalm, nahe dem Seebensee – unterhalb der Coburger Hütte.

Die Feldernalm im Gaistal ist seit 1340 Alpe der Obermieminger Bauern. Bei Pia und Norbert Kluckner von der Hochfeldernalm hatte ich – wenn man so will – meine Almtaufe am Mieminingerberg.

Von ihrem Hüttenbetrieb gings zu den Almleuten Claudia und Gerhard Wiggins auf die benachbarte Seebenalm.

Später besuchte ich noch die Marienbergalm der Gemeinde Obsteig, westlich von Mieming. Die Alpe wird von der Agrargemeinschaft Mieming/Barwies bewirtschaft. Verantwortlich ist aktuell ihr Obmann Benedikt van Staa.

Drei Almen, die von den Bauern der Gemeinde Mieming seit Jahrzehnten bewirtschaftet werden.

Größer und ökonomisch attraktiver sind im Verlauf der vergangenen Jahre die Hüttenbetriebe geworden. Die Almwirtschaft bleibt sich in grundsätzlichen Dingen weitgehend treu. Der Almsommer dauert ca. 90 Tage, je nach Wetterlage. Almauftrieb ist traditionell Mitte Juni, Almabtrieb Mitte September.

Für den Tourismus gibt es neben dem Almsommer noch den ertragreicheren Winterbetrieb. Mehr und mehr Almpächter verlassen ihre  Hütten, weil ihnen der Ganzjahresbetrieb zu viel ist. Die meisten unterhalten noch Bauernhöfe im Tal. Ohne zusätzliches, geschultes Personal geht da nichts mehr. Und das ist gefragt.

Zum Almenland am Miemingerberg gehören u.a. auch die Nachbarn der Ehrwalder Alm oder die Tillfussalm der Gemeinde Untermieming.

In meinen Erzählungen geht es vor allem um die Haltung der Menschen zu ihrem Leben in den Bergen. Darum, wie sie sich ihren Bergen nähern und welche Beziehung sie im besonderen zu ihrem Mieminingerberg haben. Ich schaue hin, höre zu und lasse die interessierte Öffentlichkeit Teil meiner Beobachtungen werden.

Erzählungen »Almenland Miemingerberg«

Quellen:

Karl Miller-Aichholz, Mieming „Die Gemeinde am Miemingerberg“, Eigenverlag Gemeinde Mieming

Gemeindegeschichte, Wissenswert, Gemeinde Mieming

„Almentaufe“ hinter den Mieminger Bergen. (Fotos: Knut Kuckel)

Ich schreibe über das Landleben im alpinen Raum. Über Ereignisse und Begegnungen. Von Hause aus Rundfunkjournalist, bin ich als Grenzgänger der Regionen auch gerne Europäer.